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Biologische Variation: Wie sicher sind labormedizinische Messungen in Blutproben?

Labormedizinische Messergebnisse werden von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Neben den wichtigen präanalytischen Einflussfaktoren wie Lagerung des Patienten, Medikamente, Technik der Blutentnahme oder Transport sind die analytische Variabilität (Messunsicherheit) und die biologische Variation zu berücksichtigen: Je höher die biologische Variabilität und/oder die Messungenauigkeit, desto variabler sind die Messergebnisse von Blutentnahme zu Blutentnahme bei gleichem gesundheitlichem Status und gleichen präanalytischen Bedingungen.

DR. MED. HANS-ULRICH ALTENKIRCH

Wird aus einer einzelnen Probe mehrmals hintereinander der gleiche Parameter mit der gleichen Methode gemessen, sind die Werte nie gleich, sondern unterscheiden sich etwas voneinander. Dieses Phänomen bezeichnet man als analytische Variabilität oder Messunsicherheit. Ein übliches Maß für die Messgenauigkeit ist der Variationskoeffizient (VK, s. Kasten Seite 5). Für Routinemessgrößen liegt der VK der Messunsicherheit oft deutlich unter 3 Prozent. Bei einigen Messgrößen ist mit einem VK von 5 Prozent oder darüber zu rechnen.

Während die Messungenauigkeit aufgrund des technischen Fortschritts in den letzten Jahrzehnten immer geringer wird, ist die biologische Variabilität naturgegeben. Das Ausmaß der biologischen Variation von Biomarkern kann ausgeprägt sein und ist bei der Interpretation von Laborwerten zu berücksichtigen. Am bedeutsamsten ist die zufällige biologische Variation. Darüber hinaus hat jedes Individuum einen unterschiedlichen Mittelwert. Je weiter diese Mittelwerte auseinander liegen, desto größer wird die Spanne des Referenzintervalls ausfallen.

Die Konzentration von Biomarkern verändert sich außerdem häufig parallel zum Lebensalter (Neugeborene, Kleinkindalter, Pubertät, Menopause oder Senium). Dabei sind die verschiedenen Messgrößen unterschiedlich stark betroffen.

Unterschiede hinsichtlich der Laborwerte gibt es bekanntlich auch zwischen Männern und Frauen. Sind diese Unterschiede stark ausgeprägt, werden eigene alters- bzw. geschlechtsabhängige Referenzbereiche angegeben. Darüber hinaus gibt es zyklische Veränderungen: tägliche, monatliche oder auch jahreszeitliche. Es ist jedoch nicht praktikabel, für alle diese potenziellen Veränderungen spezifische Referenzbereiche anzugeben.

Die biologische Variation ist nicht einfach zu ermitteln. Die Tabelle zeigt die bisher publizierten Daten für die zufällige biologische Variation anhand des Variationskoeffizienten sowohl innerhalb eines Individuums als auch zwischen den Individuen. Bekanntlich ist der VK bei Elektrolyten eher klein, bei Enzymen, Hormonen oder Tumormarkern dagegen größer. Die Variationskoeffizienten werden von der EFLM (European Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine) veröffentlicht.

Tabelle 1: Biologische Variation von Messgrößen anhand des Variationskoeffizienten (VK)Quelle: European Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (EFLM). https://biologicalvariation.eu, Zugriff am 17.10.2022)

 

Der Variationskoeffizient

Der Variationskoeffizient (VK) ist ein Maß, das häufig in der medizinischen Statistik verwendet wird. Der VK bezieht die Standardabweichung auf den Mittelwert der ermittelten Zahlen:

Die Standardabweichung (s) ist ein Maß für die Streubreite der Werte eines Merkmals rund um dessen Mittelwert (arithmetisches Mittel). Vereinfacht gesagt, ist sie die durchschnittliche Entfernung aller gemessenen Ausprägungen eines Merkmals vom Durchschnitt.

Die Standardabweichung wird berechnet, indem die Summe der quadrierten Abweichungen aller Messwerte vom Mittelwert mit der relativen Häufigkeit der Messwerte gewichtet und vom Ergebnis die Wurzel gebildet wird.

Die Standardabweichung ist von der Höhe eines Wertes abhängig: Hohe Werte ergeben bei gleicher Messmethode eine höhere Standardabweichung als niedrige und umgekehrt. Um die Standardabweichungen besser vergleichen zu können, wird deshalb die Standardabweichung auf den Mittelwert der Messungen bezogen und als Variationskoeffizient bezeichnet.

Der Variationskoeffizient darf nicht mit der prozentualen Abweichung zweier Werte verwechselt werden, wie das folgende Zahlenbeispiel veranschaulicht. Die folgenden zwanzig Zahlenwerte ergeben rechnerisch
einen VK von 5,7 %:
122 / 115 / 114 / 120 / 130 / 122 / 118 /123 / 107 / 140 / 117 / 119 / 118 / 120 / 113 / 123 / 129 /119 / 123 / 123

Ein VK von 5,7 % bedeutet nicht, dass die Werte bis zu 5,7 % voneinander abweichen. Die Abweichung von einem Wert zu nächsten Wert kann unter Umständen deutlich höher als 5,7 % ausfallen, wie die obige Zahlenreihe zeigt. Der höchste Wert beträgt in diesem Beispiel 140 und der niedrigste 107!

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