RSV – Erste Impfstoffe zugelassen
Beim respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) handelt es sich um ein Virus, dass vor allem unter Pädiatern weithin bekannt ist. RSV-Infektionen sind insbesondere bei Säuglingen, vor allem bei Frühgeborenen, und bei Kleinkindern gefürchtet. Bei Kindern mit bronchopulmonalen oder kardialen Vorschäden können diese Infektionen auch letal verlaufen.
PROF. DR. MED . RALF IGNATIUS
Bereits in der März-Ausgabe unseres Labor 28-Magazins (#71) informierten wir zu RSV, wobei das Hauptaugenmerk des Artikels sich darauf richtete, dass RSV zunehmend auch bei Jugendlichen und Erwachsenen nachgewiesen wird – Altersgruppen also, in denen RSV zuvor als wenig relevant eingeschätzt wurde. Risikopatienten für schwere Verläufe sind auch hier Patienten mit bronchopulmonalen oder kardialen Vorerkrankungen sowie immunsupprimierte Personen, vor allem Transplantationspatienten.
Studien haben gezeigt, dass RSV-Infektionen bei hospitalisierten Erwachsenen oft mit schlechteren klinischen Ergebnissen und einem höheren Verbrauch medizinischer Ressourcen einhergehen als Influenza-Infektionen. Schätzungen gehen davon aus (wobei die Datenlage in vielen Ländern unzureichend ist), dass weltweit jährlich etwa 250.000 Erwachsene an einer RSV-Infektion versterben.
Auf schlechte Nachrichten folgen aber manchmal auch gute. Tatsächlich wurden im Verlauf dieses Jahres in Europa die ersten zwei RSV-Impfstoffe zugelassen.(1) Bereits im Juni 2023 erfolgte die Zulassung von Arexvy® der Firma Glaxo-Smithkline. Dieser monovalente Impfstoff, der seit August 2023 auch in Deutschland verfügbar ist, enthält das rekombinante Fusionsprotein des Virus, welches für das Eindringen des Erregers in seine Zielzellen unerlässlich und zudem immundominant ist, sowie ein Adjuvans. Arexvy® ist für die Anwendung bei Personen ab dem 60. Lebensjahr zugelassen, was der Altersgruppe entspricht, auf die in unserem vorherigen Artikel zu RSV hingewiesen wurde. Der Impfstoff kann gleichzeitig mit der Influenzaimpfung verabreicht werden.
In der zugrundeliegenden Studie (2) wurde die einmalige intramuskuläre Verabreichung des Impfstoffs an 60–69-jährige Probanden (n = 6963) verglichen mit der Injektion eines Placebos (n = 6979) hinsichtlich des Schutzes vor einer durch RSV verursachten tiefen Atemwegsinfektion untersucht. Die Wirksamkeit betrug 81,0 % (95 % Konfidenzintervall [95 % KI]: 43,6–95,3 %). Stark ausgeprägt war die Wirksamkeit auch bei 70–79-jährigen Teilnehmern (n = 4487 vs. Placebo: n = 4487) mit 93,8 % (95 % KI: 60,2–99,9 %) sowie bei Studienteilnehmern mit mindestens einer relevanten Komorbidität (n = 4937 vs. Placebo: n = 4861; Wirksamkeit: 94,6 %, 95 % KI: 65,9–99,9 %). Die häufigsten Nebenwirkungen umfassten Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit sowie Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen.
Besonders interessant ist der im August 2023 zugelassene bivalente Impfstoff Abrysvo® der Firma Pfizer, da er die Zulassung nicht nur für die Altersgruppe über 60 Jahre, sondern auch für Schwangere erhalten hat. Das Ziel der Impfung in dieser Gruppe ist nicht ein Schutz der werdenden Mütter, sondern die Verleihung eines Nestschutzes für die Neugeborenen in den ersten sechs Lebensmonaten durch die passive, diaplazentare Übertragung RSV-spezifischer Antikörper. Der Impfstoff enthält rekombinantes, in der Präfusionskonformation stabilisiertes Glykoprotein F von sowohl RSV A als auch RSV B und wird wie Arexvy® einmalig intramuskulär verabreicht.
In den USA beschränkt sich die Zulassung für Schwangere auf eine Applikation zwischen der 32. und 36. Schwangerschaftswoche. Hier war der Schutz der Neugeborenen (d. h., der Schutz vor einer durch RSV verursachten tiefen Atemwegsinfektion, für die ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden musste) in den ersten sechs Monaten am ausgeprägtesten (57,3 %); der Schutz vor einer RSV-bedingten Krankenhauseinweisung betrug immerhin 48,2 %. Häufigste Nebenwirkungen bei diesem Impfstoff waren Schmerzen an der Injektionsstelle, Kopf- und Muskelschmerzen sowie Übelkeit.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat bislang noch keine Empfehlung abgegeben. Gerade bei einem Impfstoff für Schwangere ist von einer besonders gründlichen Prüfung der Sicherheit von Abrysvo® auszugehen, da in klinischen Studien bei Schwangeren zwischen der 24. und 36. Schwangerschaftswoche ein Trend zu einer erhöhten Frühgeburtsrate und häufigeren hypertensiven Beschwerden einschließlich Präeklampsie festgestellt wurde, auch wenn die Daten nicht signifikant waren und die Nebenwirkungen bei Impfungen nach der 32. Schwangerschaftswoche seltener waren als bei zuvor geimpften Schwangeren.
Der von der STIKO geplante Bearbeitungszeitraum für die Prüfung endet jedoch im Jahr 2024 (4), daher können wir sicherlich auf eine baldige und gewohnt fundierte Stellungnahme dieses Gremiums zu diesem spannenden Thema hoffen.
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Literatur:
- www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoffe/rsv/respiratorisches-synzytial-virus-node.html
- gskpro.com/content/dam/global/hcpportal/de_DE/produktinformationen/arexvy/FI_Arexvy_Pulver_und_Suspension_zur _Herstellung_einer_Injektionssuspension.pdf
- www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10578951/
- www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/AktuelleThemensetzung/AktuelleThemensetzung_node.html