Sjögren-Syndrom
Das Sjögren-Syndrom (SjS) ist mit einer Prävalenz von 1:200 die häufigste Kollagenose und betrifft hauptsächlich Frauen. Das Geschlechterverhältnis liegt in Europa bei 9:1. Es ist nach dem schwedischen Augenarzt Henrik Samuel Conrad Sjögren benannt, der 1933 im Rahmen seiner Doktorarbeit insgesamt 19 klinische Fälle beschrieben hat.
DR. MED. ANTJE HOHMANN DA SILVA
Das primäre Sjögren-Syndrom (pSS) wird von der sekundären Form (sSS) abgegrenzt, die als Begleiterscheinung bei anderen Autoimmunerkrankungen, insbesondere beim systemischen Lupus erythematodes, der rheumatoiden Arthritis, der limitierten und progressiven systemischen Sklerose und seltener bei Multipler Sklerose oder autoimmunen Leber- und Schilddrüsenerkrankungen auftreten kann.
Die Ätiologie des Sjögren-Syndroms ist bisher weitgehend ungeklärt. Die autoimmun getriggerte Entzündung der epithelialen Drüsenzellen (Epithelitis) basiert auf einer initialen Fehlregulation des Immunsystems. Eine genetische Prädisposition, exogene Auslöser (z. B. glandotrope Viren) und hormonelle Veränderungen werden für die Initiierung und Unterhaltung der Immunpathogenese verantwortlich gemacht.
Sicca-Symptome machen die häufigste Manifestation des Sjögren-Syndroms aus. Die chronische Funktionsstörung der exokrinen Drüsen führt regelmäßig zu Xerophthalmie (Augentrockenheit) mit Fremdkörpergefühl, Brennen sowie erhöhter Lichtempfindlichkeit und zu Xerostomie (Mundtrockenheit) beim längeren Sprechen und Einspeicheln trockener Lebensmittel. Infektionen der Mundhöhle (insbesondere mit Candida albicans), Mundgeruch, Parodontose, Schluckbeschwerden mit Heiserkeit, Atemwegsinfekte sowie Geschmacks- und Geruchsstörungen sind ebenfalls typisch.
In über der Hälfte der Fälle kommt es außerdem zu extraglandulären Manifestationen unterschiedlichen Ausmaßes an verschiedenen Organen. Neben dem klassischen Erscheinungsbild des SjS mit Fatigue und Schmerzen (Arthralgien, Polyarthritis und Myalgien bis hin zu generalisierten Schmerzsyndromen) tritt häufig eine pulmonale Beteiligung im Sinne einer interstitiellen Lungenerkrankung oder follikulären Bronchiolitis auf. Ist das periphere Nervensystem betroffen, so äußert sich dies meist als Polyneuropathie, aber auch andere neurologische Beschwerden, kognitive Einschränkungen und Trigeminusneuralgien können auftreten. Das ZNS kann ebenfalls betroffen sein. Bei renaler Manifestation liegen meist tubulointerstitielle Veränderungen vor.
Häufige Co-Morbiditäten sind Karies (aufgrund des fehlenden antibakteriellen Speichelschutzes), Depression, Hyposomnie und sexuelle Dysfunktion (bei trockener und teilweise atropher Vaginalschleimhaut). B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) kommen beim SjS gehäuft vor (bis zu 5 % der Patienten), wenn entsprechende Risikofaktoren vorliegen.
Labordiagnostik
Bis zu 83 % der Patienten mit primärem Sjögren-Syndrom weisen positive ANA-Titer auf. Dabei zeigt sich im indirekten Immunfluoreszenztest typischerweise ein feingranuläres Muster (AC-4), das sich in der weiteren immunologischen Diagnostik bei ca. 40–75 % der pSS-Patienten als SSA-/Ro-AK bzw. bei ca. 23–52 % als SSB-/La-AK differenzieren lässt. Die Anti-SSA/Ro-Positivität hat in den aktuellen ACR-EULAR-Klassifikationskriterien (American College of Rheumatology/European League Against Rheumatism) eine hohe Wertigkeit (siehe Tab. 1).
Tabelle 1. ACR-EULAR-Klassifikationskriterien für das primäre Sjögren-Syndrom (modifiziert nach 3)
Als zusätzlicher diagnostischer Biomarker wird bei Seronegativität für SSA-/Ro-AK und SSB-/La-AK die Bestimmung von Alpha-Fodrin-AK (AK gegen Aktin-bindendes, organspezifisches Zytoskelettprotein) empfohlen. Zu den weiteren serologischen Auffälligkeiten gehört der Nachweis von Rheumafaktoren (60–75 %) sowie eine polyklonale Hypergammaglobulinämie als Zeichen der erhöhten B-Zell-Aktivität. Beim aktiven SjS wird eine Verminderung der Komplementfaktoren (C3, C4) beobachtet. Der Biomarker Siglec-1 korreliert als indirekter Interferon-Marker mit einer hohen Krankheitsaktivität und extraglandulären Manifestationen. Kryoglobuline kommen als Risikofaktoren für die Entwicklung eines Lymphoms zum Einsatz.
Obwohl AK gegen einen Peptidabschnitt des Muscarin-M3-Rezeptors bei Patienten mit Sjögren-Syndrom gefunden wurden, hat sich dieser AK-Nachweis im klinischen Alltag bisher nicht durchgesetzt.
Bei Patientinnen mit Anti-SSA-/Ro- und -SSB-/La-Positivität und Kinderwunsch ist eine besondere Beratung indiziert. Die diaplazentare Übertragung dieser AAK kann durch Inflammation mit anschließender Fibrose im Bereich des AV-Knotens zur Ausbildung eines kongenitalen Herzblocks beim Fetus führen. Daher ist aus prognostischer und therapeutischer Sicht eine engmaschige sonographische Überwachung des fetalen Herzrhythmus erforderlich.
Fazit
Die Diagnose eines pSS gilt lt. ACR-EULAR-Klassifikationskritierien als gesichert bei ≥ 4 Punkten, nach Anwendung der Ein- und Ausschlusskriterien:
- Einschlusskriterien: Augen- und/oder Mundtrockenheit seit mindestens drei Monaten ohne andere Erklärung (z. B. Medikamente, Infektion)
- Ausschlusskriterien: Zustand nach Bestrahlung der Kopf-/Halsregion, HIV/Aids, Sarkoidose, aktive Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (PCR-Replikationsrate), Amyloidose, Graft-versus-host-Erkrankung, IgG4-assoziierte Erkrankung
Bedingung für die Klassifikation als primäres Sjögren-Syndrom ist das Fehlen jeder weiteren potenziell assoziierten Erkrankung.
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Literatur
- Zehrfeld N, Witte T, Ernst D. Update Sjögren-Syndrom. Z Rheumatol 2024; 83:217-228
- Stefanski AL, Tomiak C, Pleyer U, Dietrich T, Burmester GR, Dörner T: The diagnosis and treatment of Sjögren‘s syndrome. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 354–61
- Shiboski CH, Shiboski SC, Seror R et al.: 2016 American College of Rheumatology/European League Against Rheumatism classification criteria for primary Sjögren‘s syndrome: a consensus and data-driven methodology involving three international patient cohorts. Arthritis Rheumatol 2017; 69: 35–45